Delattinia News

Über die Verbindung von Denkmalschutz und Biodiversität

Datum: 

17.09.2004
Foto 1: Schuppen in Wolfersheim mit handgestrichenen Biberschwanzziegeln, darauf mehrere Rasen Grimmia laevigata, Foto Werner Caspari
Das Bliesgaudorf Wolfersheim hat am 17.9.2004 zum zweiten Mal auf Bundesebene eine Goldmedaille im Wettberwerb "Unser Dorf soll schöner werden - unser Dorf hat Zukunft" gewonnen. Daraufhin bin ich neugierig geworden und habe Wolfersheim - das ich bis dahin nicht kannte - letzten Sonntag besucht. Ich fand ein sehr harmonisches und rundes Bild vor, bei dem vor allem die vorbildlich restaurierten Bauernhäuser auffielen. Auch ein anderer Umstand war für mich persönlich sehr angenehm: hatte man in den 1970er Jahren die Dorfverschönerung noch mit preußischem Ordnungssinn verbunden und jede dörfliche Spontanvegetation zu eliminieren versucht, so darf das Grün jetzt an Mauern, in Höfen, in Einfahrten, in Ecken und Winkeln zwischen den Häusern durchaus wachsen. Und auf den Dächern!
  Und dort, auf dem Dach eines Schuppens, wächst das Glatte Kissenmoos (Grimmia laevigata), das im Saarland nur von zwei weiteren Fundstellen bekannt ist:
es wächst auf Vulkanitfelsen am Schatterberg im Primstal bei Michelbach und auf Taunusquarzit-Felsen in den Steilhängen der Saar bei Mettlach.
Die Rasen aus den dicht gedrängten, miteinander kompakt verwobenen Moospflänzchen sehen wie Mausfellstücke aus, deren Grauschimmer von den langen "Glashaaren" herrührt, die aus der Spitze der Blättchen austreten.
Foto 2: Detailansicht des Daches, Foto Werner Caspari    
Grimmia laevigata ist ein Hungerkünstler, dessen natürliche Vorkommen knochentrockene und heiße Silikatfelsen der warmen Hügelländer sind. Die Art gilt deutschlandweit als selten, die größte Fundortdichte gibt es an den ausgedehnten Vulkanitfelsen im Nahetal im Nachbarland Rheinland-Pfalz.

Was ist daran so besonders?
Grimmia laevigata ist in seinen Habitatansprüchen sehr wählerisch. Es kann viel aushalten, wächst aber sehr langsam und kommt nur mit sehr harten, meist kalkarmen Unterlagen zurecht. Nur auf den trockenen Felsen ist es vor dem Überwachsen durch andere - schnellere - Moose sicher. Normalerweise kommt die Art nur auf natürlichen, voll besonnten Felsen vor und besiedelt keine künstlichen Substrate. Es wächst auch nicht an Steinbruchwänden und nicht auf Bruchsteinmauern - von Beton ganz zu schweigen.
Grimmia laevigata Grimmia laevigata
Foto 3: Grimmia laevigata auf Ziegeldach in Baden, Foto Michael Lüth Foto 4: Fruchtender Rasen von Grimmia laevigata, Foto Michael Lüth
 

Vor einigen Jahren machte der Freiburger Biologe Michael Lüth aber eine interessante Entdeckung. Er fand in einer alten Schrift eine Angabe vom Glatten Kissenmoos aus einer Gegend im Südbadischen, in der es überhaupt keine Felsen gibt. Es konnte - wenn sich der Gewährsmann sich nicht fürchterlich vertan hatte - eigentlich nur auf Dächern gewachsen sein.
Er fuhr hin und fand das Moos auf Anhieb wieder. Er suchte in der Umgebung und entdeckte weitere Fundstellen. Und fand dann heraus: Grimmia laevigata wächst (fast) ausschließlich auf handgestrichenen Biberschwanzziegeln.
Bei diesen wurde der Ton per Hand in eine Form gestrichen und dann gebrannt. Solche Ziegel werden seit 90 Jahren nicht mehr hergestellt, erweisen sich aber als sehr robust und langlebig. Sie sehen auch richtig schön aus, da jeder einzelne eine individuelle Struktur und Farbe hat. Diese Patina würde man bei Industrieziegeln nie so hinbekommen. Und das ist auch das Geheimnis von Grimmia laevigata: Industrieziegel sind für die Art zu glatt - das Moos braucht die Rauheit der Handgestrichenen!
Michael Lüth wusste nun, wo er zu suchen hatte - und fand Grimmia laevigata und die an ähnliche Standortbedingungen gebundene Schwesterart, das Eiförmige Kissenmoos (Grimmia ovalis), fast in der gesamten badischen Rheinebene. Die Zahl der Dach-Fundorte überstieg rasch die der Fels-Fundorte um ein Vielfaches. Wie häufig muss das Moos früher gewesen sein, als die Handgestrichenen noch Standard für die Dacheindeckung darstellten? Heute gibt es in Baden nur noch wenige Dächer dieser Art pro Siedlung. Irgendwann in den nächsten Jahrzehnten wird die Dach-Episode von Grimmia laevigata wieder vorbei sein - wenn alle handgestrichenen Biberschwanzziegel zu Bruch gegangen sind. Heute geht man im Denkmalschutz und in der Gebäuderestauration immerhin sehr behutsam mit ihnen um. Werden Schuppen und andere alte Gebäude abgerissen, werden die dort noch vorhandenen Biberschwanzziegel sorgfältig aufgehoben und wieder verwendet.
In anderen Regionen Deutschlands gelang eine mit der badischen Rheinebene vergleichbare Nachweisdichte von Grimmia laevigata bisher noch nicht ansatzweise. Es mangelt an Biberschwanzdächern in geeigneten warmen Lagen - denn das Moos meidet die kühl-feuchten Mittelgebirgslagen und den Norden.
Im Saarland sind Dächer mit handgestrichenen Biberschwanzziegeln ziemlich selten. Das ist das Ergebnis der Kriegswirren, angefangen mit dem deutsch-französischen Krieg 1870-1871, als sehr viel Bausubstanz verloren ging und die verarmte Bevölkerung sich mit wenig geeignetem Baumaterial behelfen musste und zu Trümmer-Recycling gezwungen war. Ich achte seit Jahren darauf, habe aber bisher nur sehr wenige Dächer gesehen, die für Grimmia laevigata geeignet wären.
Und nun in Wolfersheim: hier gibt es zahlreiche Bauernhaus- und Schuppendächer, die mit handgestrichenen Biberschwanzziegeln gedeckt sind. Am ersten Schuppendach in Greifhöhe gelang dann auch der Nachweis - das erste Dachvorkommen und insgesamt der dritte bekannte Fundort für das Glatte Kissenmoos, Grimmia laevigata, im Saarland. Schön, dass das ausgerechnet in Wolfersheim gelang.

Artikel von Michael Lüth über das Vorkommen von Grimmia laevigata in Baden:
http://www.milueth.de/Publikationen/Handstrich.htm

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S. Caspari

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Fund einer Roten Mordwanze Rhinocoris iracundus (PODA) auf dem Haldengelände Landsweiler-Reden

Datum: 

27.08.2004

Ansicht Ventralseite

Die Rote Mordwanze Rhinocoris iracundus ist eine wärmeliebende Art, die im Südwesten Deutschlands in den Weinbaugebieten an Nahe und Unterer Mosel vorkommt. Im Saarland ist sie bisher noch nicht beobachtet worden. Insofern ist der jetzige Fund der Art auf dem Haldengelände der ehemaligen Grube Landsweiler-Reden durchaus unerwartet, gehört die Gegend doch nicht zu den klassischen Wärmegebieten des Saarlandes. Auch die Fundumstände sind etwas merkwürdig: Die Überreste eines Tieres (vgl. Foto) wurden unter einem größeren Stein gefunden, den ich auf der Suche nach Spinnen umdrehte.

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A. Staudt

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Neue Funde der Büffelzirpe Stictocephala bisonia Kopp & Yonke, 1977 im Saarland

Datum: 

20.08.2004

Am 20. August gelang F. Koch, Neunkirchen-Kohlhof der erste Nachweis der Art in diesem Jahr in der Bliesaue bei Niederbexbach (Rechtswert: 2592.091, Hochwert: 5466.369). Am darauffolgenden Tag klopfte A. Staudt ein Exemplar von Goldruten (Solidago canadensis) in der Würzbachaue bei Hassel (Rechtswert: 2585.127, Hochwert: 5458.520) und am 23. August beobachtete A. Staudt ca. 700 m flussabwärts von der Fundstelle bei Niederbexbach eine regelrechte "Büffelherde" im NSG Kühnbruch nordwestliche Altstadt (Rechtswert: 2592.779, Hochwert: 5466.047).

Ebenso wie bei dem Einzelfund im vergangenen Jahr im Primstal (-->Info) liegen die Fundstellen in größeren Flussauen in feuchten Hochstaudenfluren. Im NSG zwischen Niederbexbach und Altstadt handelte es sich um einen Großseggenbestand und ein Igelkolben-Röhricht.

 


  • 29. August 2004, weitere Funde der Büffelzirpe.
    Im Bommersbachtal NÖ Bous (Papiermühle, Rw 2559.393 Hw 5461.395) ca. 10 Tiere auf Pestwurzblättern und ca. 1 km weiter bachabwärts (Rw 2558.394 Hw 5461.036) ebenfalls ca. 10 Tiere in einem sehr nassen Großseggenried; dort in einem Astern-Reinbestand.
  • 02. September 2004, 2 Exemplare in einem Feuchtgebiet mit Großseggen und Schilf bei Hellwies/Honzrath (Rw 2554.045 Hw 5477.310).
  • 04. September 2004, 2 Exemplare im ehemaligen Kiesweihergebiet bei Remerschen/Luxemburg in der Moselaue (im Schilfgürtel).
  • 05. September 2005, F.-J. Weicherding schreibt: Die Büffelzirpe war dieses Jahr auch in einem Garten in der St. Ingberter Dammstraße (6708/223) zu sehen. Im Gegensatz zu den bereits bekannt gewordenen Fundorten im Saarland, ist dieser Garten sehr trocken und warm. Am 5. September entdeckte ich dort 3 Tiere auf angepflanzten Gaura lindheimeri Engelm. & A.Gray sitzend. Diese Prachtkerzen-Art ist in Texas und Louisiana beheimatet. Bis Mitte Oktober sah ich die Tiere dort fast täglich. Es waren aber nie mehr als drei.

Zum Thema Büffelzirpe teilt Wanzenexperte Helmut Kallenborn, Uni Saarbrücken, mit:
Sticocephala bisonia habe ich am 19. Juli 2003 auf den Rossel-Feuchtwiesen bei Geislautern gesehen. Vegetation: Bachröhricht (v.a. Phalaris arundiacea, Poa trivialis, Urtica dioica, Filipendula ulmaria), Hochstauden (Petasites hybridus, Epilobium hirsutum, Circium palustre, Calystegia sepium, Symphytum officinale, Lythrum salicaria, Poa palustris), Begleitarten (Galium aparine, Angelica sylvestris, Achilla ptarmica, Rubus idaeus, Salix spp.). Das Ex. war im Streifnetz und ist mir leider beim Umsetzen in ein Tötungsglas entwischt. Rechtswert: 2560032, Hochwert: 5454924; 6°49'27,6''O, 49°13'46,3''N; Zone: 32, E:341597 N:5455359.


Die Amateurfotographin Katja Eberhard, Saarbrücken, schreibt:
Ich möchte Ihnen mitteilen, dass ich mindestens 2 Exemplare der Büffelzirpe im Bürgerpark Saarbrücken entdeckt habe, und zwar die letzten Tage, zuletzt am 11. September 2004 im Bereich hinter Cinestar Kino, Parkplatz unter der Westspange in einer "Naturwiese" hinter 2 Parkbänken, die von Hecken eingefasst sind.
Foto: http://www.fotocommunity.de/pc/pc/mypics/415588

weitere Meldungen:

  • 04.09.2004 Karlsruhe, von Christoph Erbacher
  • 23.08.2005 Vaihingen Enz (bei Stuttgart), von Katrin Blöcher

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F. Koch, A. Staudt

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Wimper-Perlgras (Melica ciliata) im Nordost-Saarland

Datum: 

24.07.2004

Im Jahre 1999 beobachtete ich vom Zug aus ein kleines Vorkommen des Wimper-Perlgrases (Melica ciliata) am östlichen, westexponierten Melaphyrfelsen des Bahn-Einschnittes südlich des Haltepunktes Walhausen (6408/233).
Eine gezielte, recht halsbrecherische Nachsuche inklusive Klettern durch optimal entwickelte mitteleuropäische Macchie (Prunus spinosa...) und in den immer steiler werdenden Einschnitt bestätigte das Vorkommen. Theoretisch hätte es sich ja auch um die Nachbarart Melica transsilvanica (Siebenbürgisches Perlgras) handeln können, die unweit jenseits der Grenze im Nahegebiet bis in den Raum Idar-Oberstein vorkommt.

Zwischenzeitlich bekam die Bahn in mehreren aufeinander folgenden Wintern massiv Probleme mit Windbruch, so dass Sie ab 2000 in großem Umfang mit dem Freistellen ihrer Trassen begann.
Jetzt, am 24.7.2002, konnte bei einer erneuten Zugfahrt festgestellt werden, dass sich M. ciliata deutlich ausgebreitet hat und jeweils mehrere Quadratmeter beiderseits der Gleise, also auch an der ostexponierten Felswand, bedeckt.

Der Bahneinschnitt beherbergt darüber hinaus die saarlandweit einzigen bekannten Vorkommen der Kalkfelsmoose Hymenostylium recurvirostrum und Distichium inclinatum. Sie wachsen dort auf einer Tuffbildung an nahezu ständig nassen Kluftwasseraustritten am Unterhang. Die boreo-montan verbreiteten Moose profitieren von den lokalklimatisch kalten Bedingungen am Grund des Einschnitts.

Autor(en): 

S. Caspari

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